LAN-Party

„LAN-Party“ für Streichquartett und Live-Elektronik

UA 04.12.2019 – urban string „8bit“, resonanzraum Hamburg mit Ensemble Resonanz

Zum Stück: „LAN-Party“ ist eine Hommage an die Klangästhetik der 8-bit Computerspielmusik -Ära. Diese einstmals aufgrund technologischer Limitierung entstandene und mittlerweile ikonische Klanglichkeit wird in „LAN-Party“ zitiert: Es wird fast ausschließlich mit Klang reduzierenden Spieltechniken gearbeitet, z.B. mit verschieden variierten Überdruck-Techniken, durch die der Klang eines Streichinstrumentes kratzig wird, also einen erhöhten Rauschanteil bekommt. Je nach gespielter Bogenlänge können lang ausgehaltene Töne unregelmäßig unterbrochen werden, so dass Rhythmen aus kurzen Knackser-Klängen entstehen, die an das perkussive Klackern von Knöpfen an Spiele-Controllern erinnern. Zusätzlich werden die vier Streichinstrumente unabhängig von einander klanglich durch Live-Elektronik (z.B. Bit-Crushing) moduliert, so dass sie ganz ähnlich wie 8bit-Sounds früherer PSG-Chips klingen können. Die Steuerung des dafür programmierten Max MSP – Patches erfolgt in Echtzeit mit Hilfe eines alten Game-Controllers. Ergänzt wird der Streichersatz durch eine Zuspielung bestehend aus elektro-magnetischen Schwingungen, die von alten Spieleconsolen aufgenommen wurden, während diese gespielt wurden. Das Streichquartett, als Formation von Musiker*innen, die auf Instrumenten der gleichen Instrumentengruppe, gemeinsam ein Stück spielen, dessen Stimmen eng miteinander verwoben sind und aufeinander aufbauen, ist eine Referenz an das Format früherer sog. Lan-Partys, bei denen mehrere Spieler an miteinander vernetzten Heimcomputern gemeinsam als Gruppe ein Computerspiel spielen.

Der Hintergrund: Computer-Freak-Kunst für Computer Freaks. So definiert sich eine Musikszene, deren Wurzeln in den Anfängen der Heimcomputer-Ära liegen. Die Rede ist von Chip­tunes. Der Terminus „Chip­tune“ geht zurück auf die Zeit, als Musik von Computern mittels sogenannter PSG-Soundchips generiert wurde. PSG steht für „programmable sound generator“. Diese Soundchips konnten Klänge mit einer Auflösung von maximal 8 Bit erzeugen. Man spricht daher auch von sogenannter 8-Bit-Musik. Die PSG-Soundchips wurden ab Mitte der Siebzigerjahre in Arcade-Spielautomaten, Spielkonsolen wie Atari VCS und in Heimcomputern wie Atari 800 und Commodore 64 eingebaut. Gegen Ende der Achtzigerjahre wurden sie zunehmend durch Soundkarten ersetzt, die wesentlich erweiterte Kapazitäten für die Klangerzeugung boten. Musik für Computerspiele konnte somit aufwendiger und klanglich vielseitiger produziert werden, so dass die einst für Computerspiele typischen 8-Bit-Klänge mehr und mehr verschwanden. Während der Blütezeit der 8-Bit-Systeme entwickelte sich ein immer größer werdender Markt für Computerspiele, die in der Regel mit einem softwarebasierten Kopierschutz versehen waren. Um diese Spiele unter Jugendlichen leichter austauschen und verbreiten zu können, fingen immer mehr Programmierer an, Techniken zu entwickeln, mit denen sie diesen Kopierschutz umgehen konnten. Es entstand eine Szene von Hacker-Gruppierungen, die sogenannte Demoszene. Deren Protagonisten, die Spiele­hacker, wurden Cracker genannt. Diese taten sich oftmals zu Crackerkollektiven zusammen, die sich darin zu überbieten suchten, die neu auf den Markt gekommenen Spiele am schnellsten zu knacken und in der Community zu verbreiten. Das geschah – lange vor der Kommerzia­lisierung des Internets – über selbstgebastelte Telefon-Netzwerkverbindungen. Auf diese Weise konnten die Spiele ungehindert von Zoll und Urheberschutz weltweit zur Verfügung gestellt werden.
Um eine Art Reviermarke zu setzen, die unter Eingeweihten Rückschlüsse darauf gab, von wem ein Spiel gehackt wurde, entstand der Brauch, ein gehacktes Spiel mit einem Intro, also einer zusätzlichen Animation, zu versehen, die an den Anfang des Spiels gestellt wurde. Solch ein Intro wurde unter Anhängern der Szene auch „Cracktro“ genannt. Und diese Cracktros wurden mit selbstkomponierter 8-Bit-Musik unterlegt. Die Entwicklung der Demoszene kann daher aus heutiger Sicht als treibendes Element bei der Entwicklung der Chiptune-Kultur betrachtet werden. Denn mit dem Wettbewerb um die aufwendig gestalteten Cracktros wuchs auch die Nachfrage nach speziell dafür komponierten 8-Bit-Musikstücken, die über die reine Spieluntermalung hinaus ein erweitertes musikalisch-kompositorisches Feld eröffnen sollten.